Das Landratsamt Konstanz hat – auf Antrag der Firma Solarcomplex AG – das Ruhen des Genehmigungsverfahrens für den Windpark Kirnberg (Steißlingen) für voraussichtlich zwei Jahre bestätigt. Dem Forum Hegau-Bodensee liegt die amtliche Bestätigung vor.
Am 22.9. hat dazu ein Pressegespräch der Solarcomplex AG mit Erklärungen für die Öffentlichkeit stattgefunden. Als Gründe gaben die im Auftrag der IG Hegauwind agierenden Projektierer die „derzeit geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen (EEG 2017 sowie natur-und artenschutzrechtliche Vorgaben)“ an.
Tatsächlich hat aber der TÜV-SÜD dem Forum Hegau-Bodensee bereits 2016 schriftlich bestätigt, dass die fälschlich als Gutachten angepriesenen Windprognosen schon den damals geltenden Mindestanforderungen für TÜV-Windgutachten nicht entsprachen.
Auch die weiteren Fakten für das Aus sind vielfältig und lassen nicht auf einen im Wachkoma liegenden Patienten, sondern auf eine bereits obduzierte Projektleiche schließen.
Erstens gab es zahlreiche behördliche Bedenken, die die Solarcomplex AG nicht ausräumen konnte. Zweitens entwickelte sich breiter öffentlicher Widerstand, veranschaulicht z.B. durch mehr als 3.000 Unterschriften gegen das Projekt, sowie durch mehrere Petitionen an den Stuttgarter Landtag. Auch heimatbezogene Bürgerorganisationen wie der Schwarzwaldverein und der Hegau-Geschichtsverein haben sich in objektiver Werteabwägung gegen das Vorhaben ausgesprochen.
Die Kritik beim Genehmigungsantrag richtete sich besonders gegen die folgenden eklatanten Mängel:
- Vogelschutz: 24 Bürgerinnen und Bürger aus Orsingen, Wahlwies und Steißlingen (darunter 2 Ornithologen) beteiligten sich in der Brutsaison 2017 an einem umfangreichen Beobachtungsprogramm für windkraftempfindliche Vogelarten. Das resultierende Gutachten mit einer Fülle an Erfassungsdaten und Beweisfotos liegt dem Landratsamt vor.
Eindeutiges Ergebnis: Insbesondere der Rotmilan überfliegt den Bereich der geplanten Windräder praktisch täglich und wäre damit akut bedroht. Dank großem bürgerschaftlichem Engagement konnten somit die falschen Behauptungen aus dem von der Solarcomplex AG vorgelegten Gutachten eindrucksvoll widerlegt werden. (Dies bestätigt jüngste Analysen von BUND und NABU, wonach von Windfirmen finanzierte Artenschutzgutachten häufig schwere Mängel aufweisen). - Vogelzug: Der Kirnberg liegt auf einer wichtigen Vogelzugroute. Daher hätten aufwändige Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Die bestellten Gutachter hatten versucht ohne diese auszukommen.
- Landschafts- und Denkmalschutz: Die Solarcomplex AG konnte bestehende Bedenken des Stuttgarter Landesamts für Denkmalpflege bis heute nicht ausräumen. Geforderte fotorealistische Gegendarstellungen wurden nicht geliefert.
- Tourismus: Bisher mehr als 50 Betriebe aus der lokalen Gastronomie bzw. dem Fremdenverkehr wollen sich an einer möglichen Petition gegen den Windpark Kirnberg beteiligen. Diese Petition liegt nun ebenso bis auf weiteres auf Eis.
- Schallschutz: Die Norm DIN 9613-2 für Schallgutachten wurde kürzlich revidiert. Das von der Solarcomplex AG vorgelegte Schallgutachten erfüllt diese Norm nicht, neue Gutachten wären zu erstellen.
- Flugplatz Stahringen: Ein Gegengutachten beweist Störungen des Flugbetriebs durch einen zukünftigen Windpark Kirnberg. Dies hätte für den Windpark umfangreiche Abschaltzeiten zur Folge, wodurch seine Wirtschaftlichkeit noch fraglicher würde.
Zum immer wieder beschworenen Klimaschutz ist zu statuieren: Unsere Region hat schon heute und ohne Windkraft, mit rund 60% einen bundesweit vorbildlichen Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung. Deshalb plädieren wir für einen weiteren Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere der dezentralen Photovoltaik, die in unserer windarmen aber sonnenreichen Gegend die sinnvollste Technik darstellt.
Zuletzt zum Thema Wirtschaftlichkeit:
Für den noch im Vorjahr genehmigten Windpark in Tengen werden nach aktueller Sachlage die Stromverbraucher jahrzehntelang eine schon heute überhöhte Vergütung bezahlen. Seit Anfang 2017 hat die Bundesregierung, als Reaktion auf den Wildwuchs von Windrädern, mehr Wettbewerb (Bieterverfahren) durchgesetzt und die Förderungskosten dadurch drastisch reduziert. Die Bewerbung für den Kirnberg und andere Schwachwindprojekte in Süddeutschland sind dabei durchgefallen. Mit einem geringen Zeitverzug hätte auch Tengen keine Chance auf Realisierung gehabt.
Laut Bene Müller (Solarcomplex AG) hatte man zur Erlangung maximaler Fördermöglichkeiten sogar extra eine Bürgerenergiegenossenschaft gegründet. Auch diese Version kam im Bieterverfahren nicht zum Zug.
Ein mutmaßliches Vorhaben der IG Hegauwind, die angefangene Projektierung Kirnberg zu veräußern, scheiterte ebenfalls.
Auch hat bisher keine einzige der Kommunen der IG Hegauwind einen Ratsbeschluss für eine Beteiligung am Kirnberg. Daraus ergibt sich die Frage, warum dann überhaupt der Solarcomplex AG ein Auftrag zur Erlangung einer Baugenehmigung erteilt wurde.
Auf jeden Fall ist es jetzt an der Zeit, die für die Bürger und Kommunen teure Existenz der IG Hegauwind zu überprüfen.
Die Regionalplanung hat offiziell festgestellt, dass der Kreis Konstanz praktisch keine Windkraft-Potenziale bietet, was solchen kommunalen Parallelaktionen eine angemessene Grundlage entzieht.
Wir bedanken uns bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die uns mit ihrem Engagement unterstützen. Eine allfällige weitere Entwicklung am Kirnberg werden wir sehr wachsam verfolgen, uns aber nun dem Schienerberg zuwenden, wo ein Schweizer Energieunternehmen zusammen mit der Firma Solarcomplex AG vier Windräder projektiert.