Quelle: www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/singen/Neues-Forum. Vereinbart wurde das Treffen im Rahmen einer vom SÜDKURIER moderierten Diskussionsveranstaltung.
➤ Konferenz für Windkraft-Kritiker und Befürworter
➤ Investoren, Politiker und Verbände an einem Tisch
➤ Suche nach gemeinsamen Lösungen
Die Konferenzteilnehmer
Initiator und Gastgeber:
Forum Erneuerbare Energien Hegau-Bodensee
Sprecher, Markus Bihler
Politik: Andreas Jung MdB, CDU
Wolfgang Reuther MdL, CDU
Bürgerinitiativen Hegau-Bodensee:
Christoph Graf Douglas
Albrecht Freiherr von Stotzingen
Joachim Mehl, Gunther Gross
Dr. rer.nat. Frank Wehner
Windkraftinvestoren:
Bene Müller und Jörg Dürr-Pucher, Solarcomplex AG
Stefan Kempf und Stephan Einsiedler, EnBW Regional AG
Naturschützer:
Thomas Körner, NABU, Eberhard Koch, BUND
Experten:
Hansjörg Jung, Präsidialrat für Umwelt und Naturschutz
Dipl.Ing. Ulrich Bielefeld, Landschaftsarchitekt
Wirtschaftsvertreter:
Dieter Wäschle, stellv. Vorsitzender des
Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes BW
Zusammenfassung
„Die Zielsetzung der Konferenz ist, im Rahmen einer Expertendiskussion und qualifizierter ökonomischer und ökologischer Werteabwägung festzustellen, ob es in der Region Hegau-Bodensee sinnvoll wäre den Bau von Windrädern zu verfolgen, oder in dieser landschaftlich sensiblen Region mit starker touristischer Wirtschaftsprägung potentielle Alternativen zu realisieren“, fasst Markus Bihler als Initiator zusammen.
Eine Grundsatzfrage sei dabei, wie viel regional produzierte Energie vorstellbar sei.
Konsens bestand, dass eine Autonomie der Region nicht denkbar ist. Die Stromtrassen aus dem Norden sind von der Regierung beschlossen und teilweise schon im Bau. Daran wird sich auch nichts ändern weil derzeit bereits im Norden zeitweise mehr Windstrom produziert werde, als dort verbraucht werden kann.
Die Initiativen befürchten, dass dann der Strom aus dem Norden billiger sei und die staatlichen Preisregulierungen nicht dauerhaft bleiben.
Konsens bestand auch darüber, dass weder Windkraft noch Photovoltaik grundlastfähig sind.
Bedauerlicherweise würden sich Sonne und Wind nicht ergänzen.
Energieversorger und Naturschutzverbände machten deutlich, dass man zu einer erfolgreichen Energiewende alle erneuerbaren Energien, wie Wind-, und Wasserkraft, Bioenergie und Geothermie benötigen werde.
Beiträge
➤ Stefan Einsiedler von der EnBW wies daraufhin, dass auch Themen wie Versorgungssicherheit und Netzstabilität eher den Mix von unterschiedlichen Energieträgern erfordern.
➤ Die Politiker: Dieser Ansatz (von Einsiedler) wurde auch von den anwesenden Politikern, dem Landtagsabgeordneten Wolfgang Reuther und dem Bundestagsabgeordneten Andreas Jung, beide CDU, unterstützt.
Wolfgang Reuther wies allerdings auf den aus seiner Sicht ungeeigneten Ansatz der grün-roten Landesregierung hin, die Windkraftflächen kommunal festzulegen. Aus seiner Sicht ist das eine regionale Aufgabe.
Wenn die Windhöffigkeit ausreichend sei, müsse auch die Region Hegau-Bodensee ihren angemessenen Beitrag leisten. Dabei komme es ihm auch auf die Verlässlichkeit der Bedingungen für Investoren an.
Der alleinige Bau von Windparks im windreicheren Norden Deutschlands und die dann nötigen Hochspannungs- trassen seien zudem auch keine tragfähige Lösung.
➤ Das Fazit:
Neben dem Schutz der Landschaft kam man auch bei der der Qualität der Windgutachten nicht zueinander.
Für die Investoren sind die vorhandenen Daten ausreichend, um Entscheidungen zu treffen und Genehmigungsanträge zu stellen.
Die Windkraftgegner dagegen wollen mehr Transparenz und mehr Kenntnis über konkrete Zahlen an den geplanten Standorten weil sich dies auf ein rechnerisches Gutachten stützt und vor Ort keine Windmessungen mit Masten gemacht wurden.
Bene Müller hat seine frühere Zusage wiederholt, Frank Wehner und Hansjörg Jung das volle Gutachten für den Kirnberg zur Kenntnis zu geben.
Anmerkung (Forum): Das während der Konferenz zugesagte Wind-Gutachten wurde trotzdem später nie zur Verfügung gestellt. Laut Bene Müller haben die Vertreter der in der IG Hegauwind beteiligten kommunalen Betriebe ihm die Herausgabe der Daten verweigert.
➤ Christoph Graf Douglas warnte vor Eingriffen in die Landschaft wie sie 200 oder im Rahmen von Repowering geplant, 300 Meter hohe Windräder darstellen.
Er verwies auf historische Vorstöße für Großprojekte wie die Schiffbarmachung des Rheins für Frachtschiffe bis in den Bodensee oder eine Brücke von Konstanz nach Meersburg.
Auch da hätten manche Politiker gemeint die Region könne wirtschaftlich ohne diese nicht überleben und heute müsse man froh sein dass sie verhindert wurden.
➤ Landschaftsarchitekt Ulrich Bielefeld zeigte als Alternative Bilder von Photovoltaikfeldern an deren Realisierung er im Raum Trier gearbeitet hat und die im Aussehen etwa dem von den Hagelnetzen der Obstanlagen nahe kommen. Tatsächlich werden bereits Hagelschutzlösungen entwickelt die Strom produzieren können. Unter Solarflächen können jetzt auch Biotope entstehen, die als Ausgleichsflächen für Baugebiete in Gemeinden zulässig sind.
➤ Die Landschaftsschützer: Die Vertreter der Initiativen, die sich im Landkreis Konstanz gegen den Ausbau der Windkraft wenden, wollen angesichts relativ niedriger Windgeschwindigkeiten und der befürchteten Beeinträchtigung des Landschaftsbildes überhaupt keine Windparks in der Region.
Die geringe Windhöffigkeit lasse eine wirtschaftliche Nutzung der Windenergie in der Region nicht zu.
Sie bieten an, die dann nicht erzeugten Strommengen durch verstärkte Nutzung der Solarenergie zu ersetzen.
Es wurden konkrete Flächen die zur Verfügung stehen benannt und weitere würden potentiell zur Verfügung stehen.
Die Bürgerinitiativen sprechen sich für den Ausbau von landschaftlich angepasster Photovoltaik aus, um den Bau von Windrädern in der historischen Kulturlandschaft Hegau-Bodensee zu vermeiden.
Zur Visualisierung gab es eingangs ein Fotopräsentation die alle derzeitigen Flächenplanungsverfahren oder in der Projektierung befindlichen Standorte beinhaltete und keine Zweifel daran ließ dass dies das Landschaftsbild stark verändern würde, wenn auch nicht wahrscheinlich ist dass alle der theoretisch rund 30 möglichen Windräder gebaut würden.
➤ Solarcomplex: Sowohl Jörg Dürr-Pucher, Präsident der Bodensee-Stiftung, als auch Bene Müller, Vorstand von Solarcomplex, sagten dabei im Rahmen der Solaroffensive-Bodensee ihre Unterstützung zu. Das Bürgerunternehmen hat bislang alle Freilandsolarparks im Kreis gebaut.
➤ Die Naturschutzverbände sehen im Bau der fünf bis zehn Windräder in der Region eine Beeinträchtigung der Landschaft, die angesichts der Herausforderungen im Klimaschutz akzeptabel sei, Eberhard Koch, Kreisvor- sitzender des BUND wies auf die jahrelangen Abwägungs- und Planungsprozesse hin, an deren Ende jetzt der Bau weniger Windparks stehe. Thomas Körner, Bezirksgeschäftsführer des NABU, ergänzte, er hätte sich die Unterstützung der Windkraftgegner auch schon beim umstrittenen Bau des Solarparks Mooshof in Bodman gewünscht, bei der man damals ordentlich Prügel bezogen habe. Auch hier war das Argument Landschaftsschutz.
➤ Dieter Wäschle, als stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Baden-Württemberg, einem der größten Wirtschaftsfaktoren und somit auch einer großen Anteil der Arbeitsplätze und des Steueraufkommens der Region Hegau-Bodensee, stellte sich konsequent gegen den Bau von Windrädern.
Der zu bezweifelnde, aber selbst im besten Fall nur geringe wirtschaftliche Nutzen von Windrädern würde in keinem Fall aufwiegen was dadurch an Beeinträchtigung entstehen würde.
Er wies auf die internationale Bedeutung und die einzigartige Schönheit der Bodenseeregion hin und schloss hierbei den Hegau mit ein.
➤ Markus Bihler empfiehlt der Politik insbesondere im Hinblick auf die Landtagswahlen für ein Moratorium zu einer aktuellen Überprüfung der Entwicklung und gegebenenfalls für die Anwendung der von der vorherigen CDU/FDP Regierung ursprünglich beabsichtigten Regionalplanung einzutreten, während die von der Grünen/SPD Regierung vorgeschriebene Planung durch die Kommunen die schnelleren Genehmigungsverfahren will.
➤ Die Vertreter der IG Hegauwind wollen im ersten Schritt auf jeden Fall fünf Windräder an den Standorten Verenafohren (Gemeinde Tengen) und Kirnberg (Gemeinde Steißlingen) bauen. Dort sei die Erzeugung von bis zu dreißig Millionen Kilowattstunden Windstrom pro Jahr möglich. Das seien immerhin 2,5 Prozent des kreisweiten Strombedarfs. Langfristig sind aus Sicht der Investoren, zu denen neben Solarcomplex die Stadtwerke aus dem Landkreis und die Genossenschaft Bürgerenergie zählen, zehn Windkraftanlagen im Kreis Konstanz möglich.
Anknüpfungspunkte bieten Energiesparen und Solarenergie. Dazu solle der begonnene Dialog fortgesetzt werden. Damit waren alle Beteiligten einverstanden. Insofern hat die Energiewende in der Region ein neues Forum bekommen, in dem ganz unterschiedliche Akteure zusammenfinden
Markus Bihler, Gastgeber der Veranstaltung im RIZ, fasste die Diskussion positiv zusammen. Über divergierende Positionen, wie den Ausbau der Windkraft, werde man weiter öffentlich und mit gegenseitigem Respekt streiten, bei Themen, zu denen man sich einig sei, wolle man in Zukunft auch kooperieren.